Die neuen Männchen

Kaum haben uns die Frauen verweichlicht, sehnen sie sich wieder nach echten Männern. Eine Streitschrift

von Willi Winkler

Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Das war leicht. Dann kamen die Tiere dran, die Bäume, Flüsse und Bäche, Gebirge, Meere, das ganze, große,bunte Habitat, das so genannte Paradies. Auch dies war vergleichsweise leicht. Zuletzt und bevor er sich vorläufig zur Ruhe begab, schuf Gott den Menschen. Er hatte einen Plan im Kopf, sein Bild und Gleichnis sollte es doch werden und danasch batzelte er sich dieses erste Individuum (für Nichtlateiner: das Unteilbare) zusammen, von dem die Feministinnen später sagen solten: "Ach Gottechen, ja, aber da hat er doch bloß geübt."
Nach einiger Ruhe und noch mehr Nachdenken fand Gott aber, das es nicht gut sei, wenn der Mensch so mutterseelen allein sei und wollte im eine Gefährtin beigesellen. Der erste Mensch, darüber brauche wir uns nicht zu streiten, war ein Mann, er hieß Adam, bestand aus Lehm (adama: aus Erde), war unvollständig und trotzdem leicht überdeterminiert. Sokrates oder vielmehr Plato haben später ein großes Gewese um diesen Kugelmenschen gemacht, den der zornige Zeus in Mann und Weib entzweigespalten, auf dass sich die Hälften nur immer vergeblich suchten und noch sinnloser begehrten.
Sind alle bisher mitgekommen, ja ?
Denn jetzt machen wir einen gewaltigen Sprung nach vorn in der Evolution, in die Neuzeit, zirka 2000 nach Christus. Der Mensch hat es herrlich weit gebracht. Der Mensch oder vielmehr der Mann hat den Kampf mit dem Mammut gekämpft, außerdem Kriege geführt, Häuser gebaut, Frauen erobert, Kinder gezeugt und nebenher Bücher geschrieben sonder Zahl. Die Auslese der Besten ist überstanden. Es gibt immer noch Männer und Frauen, sie verstehen einander noch immer nicht, aber das konnte sie erstaunlicherweise nie daran hindern, sich Generation für Generation fortzupflanzen. Aber der ehemaligen Rippe ist es endlich gelungen, die narzisstische Kränkung, doch nur aus einem überzähligen und auch noch männliche Knochen herzustammen, triumpfal zu überwinden. "Die Rache ist mein", sprach die Frau: Selbstbewusst sind die Frauen in den letzten hundert Jahren dieser Evolutionsgeschicht geworden, stark, notfalls hammerhart und anfällig für jeden Frisiervorschlag der Brigitte.
Die Frauen heute können nicht mehr bloß Kinder gebären, sondern darüber hinaus alles, was früher nur die Männer konnten: Pilot werden oder Soldat oder Dreisternekoch. Sie beherrschen aber neben der Disziplin, das Rohe in das Gekochte zu überführen, noch eine regelrechte Kunst, ach was, Kunst, eine beispiellose Zivilisierungsleistung ist es: Die Frauen haben das Keulen schwingende, grunzende , stinkene Monster, sie haben den haarigen Affen, der sie einst an ihren rapunzeligen Locken in die Höhle zerrte, im Dunkeln vergewaltigte und ihnen dann die Aufzucht der Kinder überlies, zum "Partner" gemacht. Hallo Partner !
Gott war ja nun zweifellos ein Mann gewesen, Anfänger obendrein, deshalb war die Sache einen zweiten Versuch wert. Und so nahmen sich die Frauen der Sache an. Bei der Reprise ,schufen sie sich den Mann nach ihrem Bild und Gleichnis, und siehe da, diesmal gelang's. Doch, doch, doch, es gibt einen Fortschritt in der Welt: Männer haben Kultur angenommen, lesen die Brigitte nicht nur, sondern studieren sie, und sind - schöner Lernerfolg - keine Männer mehr, sondern was Besseres. Der Mann, dieses ehemalige Scheusal, ist keiner mehr, sondern eine echte Hilfe im Haushalt. Als "meine Perle" stellt ihn die Gattin gelegentlich vor oder als " mein bestes Stück", als wäre er nur noch ein Teil von ihr, eine Rippe vielleicht. In der Erinnerung an frühere Zeiten darf er manchmal noch grillen, das blutige Fleisch, praktisch selber erjagt, hin- und herwenden, aber doch mit einer kleidsamen Schürze vor dem Bauch, damit keine Flecken ins Hemd kommen. Ein sinnentleertes, trautiges Titual. Und den Dreck muss er hinterher auch noch wegmachen.
Der Mann ist längst kein Geheimnis mehr, sondern zur nahezu vollkommenen Frau geworden. Seine Erbfeinde sind nicht mehr Impotenz oder wenigstens der karrierebedigte vorzeitige Herzinfakt, sondern die Krähenfüße und Venusfalten, die das vollkommene Gurkenmaskenangesicht verunzieren könnten. Von Jörg Wontorra bis Martin Walser bekennen sich immer mehr Männer dazu, augenfältchencremesüchtig zu sein. Sie reiben und rubbeln und zupfen und zerren und schmieren und träufeln längst so verschwenderisch und sinnlos wie ihre Vorläuferinnen. Die Sorge um sich selbst beschränkt sich nicht mehr auf Platzhirschröhren und die hundsgemeine Fitness, es geht wie bei den Frauen um alles oder nichts, also um den schönen Schein.
Der Überlebenskampf gegen die Elemente ist seit Jahrtausenden ausgestanden, doch statt ihn abzusagen, kämpft ihn der Mann nach Büroschluss im Fitness- Gulag weiter. Es gibt keinen äußeren Feind mehr und der Supermarkt liefert eigentlich genug zu essen, sogar die Arbeit ist unter der Hand ausgestorben, doch Bi- und Trizeps werden gepflegt, als müsste morgenfrüh um viere in die Zeche >>Preussen's Gloria 1866<< eingefahren werden. Dabei braucht der körper- und schönheitsbewusste Mann doch kaum noch Muskeln, soll im Arbeitsleben blos nicht schwitzen, und dass er sich seiner oder überhaupt einer Frau näherte nach steinzeitlicher Weise, mit seinem guten alten ungestalten Körper das geht nun schon mal ganz und gar nicht mehr. Er soll was hermachen. Riefenstählern hätte er sich gern, marmorglatt, nicht mehr ganz von dieser gar zu irdischen Welt. Stachelbeerwaden waren früher, jetzt rasiert er sich da unten, ehe er in kurze Hose steigt, tupft diverse Parfums hinter Ohrläppchen und trägt die Haare geschwänzt wie früher nur die Hausfrau beim Fensterwienern. Wenn er auch noch nicht in jedem Fall mitmenstruiert , fühlt er doch mit seiner Frau, bringt ihr Hühnerbrühe ans Bett und legt ihren Friseurtermen um. Eine echte Perle, Ihr bestes Stück.
Der große Jäger, der Wildling, das Alphamännchen ist von den Frauen und den Betablochern zur Strecke gebracht worden. Die Hormonbeigaben im Rindfleisch waren hilfreich, aber der Mann hat selbst am eifrigsten an seiner Entmannung gearbeitet. Unten strotzt der Sixpack, aber oben, was kommt da zum Vorschein ? Eine zarte und doch feste Männerbrust, die kein Härchen stört. Pflegeserienleicht ist da alles, transpiriert wird nur mehr hauchzart, frisch epiliert erglänzt die porentief gereinigte Haut, und kein noch so winziges Nasenhaar, das nicht aufs Säuberlichste zurückgestutzt worden wäre.

Nur manchmal meldet er sich noch, der Kerl vom Planet der Affen, wuchtet in einer Cola-Light(!)-Reklame seine Kiste auf den Frauenbüroschreibtisch, zeigt dezente Schwitzflechen und Restspuren von echter Arbeit. Die Frauen in dieser Werbung verzehren sich nach ihm. Aber unwiderruflich ist er dahin. Ist aus der Stadt geritten mit dem letzten Cowboy, untergegangen mit dem letzten einäugigen Korsaren, als Abenteurer in der Wüste verschmachtet, ehe das Malboro-Team sich aufmachte. Alle Menschen sind Schwestern geworden. Es ist fast wie im Paradies damals. Fast.

aus: Süddeutsche Zeitung Magazin Nr.: 38 , 21.09.2001

Mann und Frau, so lang getrennt, sind endlich wieder vereinigt, alles eins, kein Unterschied der Geschlechter mehr, Unisex allerwege. Platonischer geht's nimmer. Ein weiblicher Sieg auf der ganzen Linie, aber was für eine Niederlage: die Männer entmannt, die Frauen voller Sehnsucht nach der ungelüfteten fettschwadigen Steinzeithöhle, der haarigen Brust und - na ja und leise, leise - nach diesem Widerling, diesem haarigen Kerl, diesem Tier, das da stinkt und schwitzt. Doch die Evolution, da hilft kein Eifersuchtsfortbildungsseminar und nicht einmal das dritte Jahr Italienisch an der Volkshochschule, ist unumkehrbar. Zwar haben sie gewonnen, die überzähligen Rippen, aber dabei alles verloren. Das Tier ist gezähmt, der Mann keiner mehr und der italienische Kellner will auch bloß sein Trinkgeld.